Mysle k »Dnjej wotbagrowanych wsow« we Wochozach (němsce)
von Thomas Burchardt
Bereits zum 17. Mal fand der »Tag der abgebaggerten Dörfer« statt. Dieses Mal erinnerte die DOMOWINA in Nochten, einem Ort, der durch einen Teilabriss vor 30 Jahren stark betroffen war.
Im Brandenburger Teil der Lausitz beschloss die DOMOWINA im Jahr 2007 die Ablehnung neuer Tagebaue und der Bischof der EKBO predigte in Kerkwitz die Forderung nach dem Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung. Auf Brandenburger Seite fördern also beide Institutionen den Willen und die Notwendigkeit zum Braunkohlenausstieg, ohne jedoch die in diesem Bereich Beschäftigten auszugrenzen. Deshalb fühle ich mich in der DOMOWINA und in der evangelischen Kirche mit meiner Einstellung und Arbeit zur notwendigen aktiven Umgestaltung der Stromerzeugung akzeptiert und aufgehoben.
Während in Brandenburg zunächst der Beschluss des Tagebauplanes abgewartet wird, verhandelt man im Sächsischen schon vorher, damit die Betroffenen am Ende des Planverfahrens wissen, was sie an Abfindungen und Gegenleistungen bekommen. Auch die DOMOWINA verhandelt bereits während des laufenden Planverfahrens die Verträge aus. »Es gehe um Zusammenarbeit aller, Polarisierung werde nicht geduldet. Der soziale Frieden stehe an erster Stelle« so der Verhandlungsführer der DOMOWINA, Manfred Hermasch, gegenüber der Lausitzer Rundschau. Dass es der Tagebauplan ist, der unweigerlich zur Polarisierung führt und den sozialen Frieden gefährdet, wird dabei ausgeblendet.
Die Schuld an den sozialen Spannungen haben die »Infragesteller« der Notwendigkeit neuer Tagbaue. In Sachsen wäre ich in der DOMOWINA demnach ein potentieller »Sozialfriedensgefährder«.
Es gibt ja noch einen zweiten wichtigen gesellschaftlichen Träger, die Kirche Berlin Brandenburg Oberschlesische Lausitz, kurz EKBO. Hat diese an mich und die anderen Mitglieder in der sächsischen Lausitz eventuell auch eine andere Botschaft zur Braunkohle?
»Ja« erklärte mir nach dem Gottesdienst in Nochten der Pfarrer Jordanow. »Im Brandenburgischen predige man den gewaltfreien Widerstand, hier im Sächsischen jedoch die gewaltfreie Duldung« und ergänzte sogleich, dass man Polemiker hier nicht haben wolle. Eine Unterstützung bei der Bewältigung ihrer existenziellen Frage nach dem »Warum« wird damit insbesondere den von Abbaggerung Betroffenen verwehrt. Staatliche und wirtschaftliche Interessen werden als unvermeidbar zu gebende Opfer erklärt, begründet und theologisch legitimiert. Eigene Werte, wie Erhalt der Schöpfung, waren von der Kanzel am Gedenktag nicht zu hören.
Der sich in der sächsischen Lausitz Wehrende und Protestierende wird unter dem dreifachen Duldungsdruck von akzeptierter Wirtschaftspolitik, der DOMOWINA und der Kirche letztendlich in seinen sozialen Bezügen isoliert. Diese nicht respektierte Wut und die Ohnmacht hat viele mehr als kraft– und mutlos gemacht.
Ein neuer Tagebau ist kein alternativloses Schicksal, sondern eine menschengemachte Gewalttat gegen Mensch und Natur.
Aus sozialpsychologischer Sicht heißt es, der Mensch könne persönliche Schicksale besser verkraften als eine menschengemachte Gewalterfahrung. Zu deren Bewältigung können neben anderen Ritualen auch Gedenktage beitragen. Diese geben dann den Rahmen für die schmerzhaften Erinnerungen und motivieren für eine gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung des »Nie wieder«.
Der »Tag der abgebaggerten Dörfer« in Nochten hinterließ bei mir den Eindruck, dass sowohl die DOMOWINA und die Kirche dies vergessen zu haben scheinen. Der Gedenktag hat anscheinend mit der Einbeziehung von Vattenfall seinen ursprünglichen Charakter verloren. Aus einem »Nie wieder« wurde der Aufruf und die Rechtfertigung zu einem »Immer weiter«.